Berufspolitik & Ziele
Hauptziel: Gesamtversorgung für Psychotherapie
Der ÖBVP verfolgt das Ziel einer psychotherapeutischen Gesamtversorgung zur kassenfinanzierten Psychotherapie, wie im allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) vorgesehen. Demnach ist die psychotherapeutische Versorgung genauso wie die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich zu regeln.
Patient:innen sollten das Recht haben, zu Vertragspsychotherapeut:innen oder Wahlpsychotherapeut:innen ihrer Wahl zu gehen und jedenfalls 80% des Kassentarifs erstattet zu bekommen.
Derzeitige Situation
Im niedergelassenen Bereich erfolgt die psychotherapeutische Versorgung aktuell über Kostenzuschuss oder Sachleistung (kassenfinanzierte Psychotherapiestunden). Die kassenfinanzierte Psychotherapie ist kontingentiert und je nach Bundesland an bestimmte Zuteilungskriterien gebunden.
Rund die Hälfte aller in Österreich stattfindenden Psychotherapien sind vorwiegend selbstfinanziert.
Die Höhe des Kostenzuschusses für eine Psychotherapie-Einzelsitzung variiert je nach Gesundheitskasse.
Aktuell gelten folgende Zuschüsse:
- Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK): € 33,70
- Sozialversicherung der Selbstständigen und Bauern (SVS): € 45,00
- Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB): € 46,60
Neben den Zuschüssen gibt es voll kassenfinanzierte Plätze ("Sachleistungen") – umgangssprachlich "Psychotherapie auf Krankenschein" genannt. Diese Plätze unterliegen jedoch Kontingenten. Für Patient:innen ist ein Sachleistungsplatz kostenfrei. Das Sitzungshonorar wird von den Psychotherapeut:innen via Versorgungsverein mit den Sozialversicherungen abgerechnet. Die Honorare sind je nach Bundesland und je nach Versicherung unterschiedlich. Sie liegen deutlich unter den erforderlichen Stundensätzen.
Eine Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für Psychotherapie in allen Bundesländern wird derzeit zwischen der Bundesregierung und der Sozialversicherung thematisiert.
Die Folgen
- Deutliche Unterversorgung im EU-weiten Vergleich. In Österreich befinden sich rund 1,23 % der Bevölkerung in voll kassenfinanzierter Psychotherapie, während in Deutschland und in der Schweiz etwa 3 % der Bevölkerung in kassenfinanzierter psychotherapeutischer Behandlung sind.
- Eine AK-Studie aus 2012 berechnet die volkswirtschaftlichen Folgekosten von Nicht-Behandlung und lückenhafter Behandlungskonzepte innerhalb der psychotherapeutischen Versorgung auf ca. 3,3 Milliarden Euro.
Unser Anliegen
Psychische Erkrankungen verursachen Kosten in Milliardenhöhe
- Die Folgekosten im Gesundheitssystem betragen derzeit 825 Mio. Euro pro Jahr (vgl. derzeit 21 Mio. Euro Zuschüsse für Psychotherapie).
- Die Kosten für Unternehmen betragen 1,5 Mrd. Euro laut WIFO (9,4 % aller Krankenstandstage wegen psychischer Erkrankungen, Verdreifachung seit 1996).
- Der größte Anteil an Neuzugängen zur Invaliditätspension erfolgte durch psychische Erkrankungen und betrug im Jahr 2021 33%. (Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2021, Statistik Austria, 2023)
Verhinderung von Chronifizierung hin zu schweren psychischen Erkrankungen
Abwenden von hohem individuellen und familiären Leid
Die Situation in Zahlen
- Der durchschnittliche Krankenstand aufgrund von psychischen- und Verhaltensstörungen betrug im Jahr 2021 37 Tage und liegt hinter Krebserkrankungen an zweithöchster Stelle. (Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2021, Statistik Austria, 2023)
- 3 % der Bevölkerung sind in einem schweren Ausmaß von psychischen Störungen betroffen.
- Die OECD und die Europäische Kommission beziffern die (Folge-)Kosten psychischer Erkankungen in Österreich im Jahr 2019 auf etwa 13,9 Mrd. Euro und betonen auch extrem hohe individuelle sowie familiäre seelische Belastungen (Global Burden of disease, vgl. OECD 2020 [2015]; GBD 2019 Mental Disorders Collaborators 2022; Rechnungshof 2019; Nübling et al. 2014; Statistik Austria 2020; Wancata 2017).
- Psychische Erkrankungen wie Angst, affektive Störungen oder somatische Belastungsstörungen haben die somatischen Erkrankungen im Ranking der häufigsten Krankheitsbilder in Österreich überholt (vgl. auch Löffler-Stastka und Hochgerner 2021). Dieser Trend wird aufgrund der COVID-19-Folgeerkrankungen um weitere 20 % steigen (Pietrabissa et al. 2021).
- Derzeit werden (bezogen auf die Zahlen aus 2014 in Grabenhofer-Eggerth et al. 2020) rund 237.000 Patient:innen mit psychotherapeutischen Leistungen (Sachleistung und Zuschuss) versorgt, also 2,8 % der Gesamtbevölkerung.
- Studien für Österreich (Riess et al. 2021) zeigen, dass ein niederschwelliger, kostenfreier Zugang zu Psychotherapie dringend erforderlich und die gesetzliche Grundlage dafür seit langem geschaffen ist (Springer-Kremser et al. 2002).